Geschichtlicher Abriss

Eine Zeitreise durch die Geschichte von Nunkirchen und Münchweiler

Jochen Kuttler hat die Geschichte der beiden Orte in recht kurzen Kapiteln zusammengefasst, so dass Sie einen schnellen und unterhaltsamen Abriss in Zeitrafferform bekommen. Zahlreiche Links helfen Ihnen, Ihr Geschichtswissen auf den neusten Stand zu bringen. Die Zeichnungen zum Artikel stammen von Guy Thurmes. Sie können sie vergrößern, indem sie auf die Vorschauansichten klicken.

E-BookHeimatbuecherSie haben übrigens die Wahl. Wenn Sie sich nur für die Geschichte von Nunkirchen interessieren, klicken Sie auf den entsprechenden Link. Gleiches gilt für Leser, die ausschließlich die Geschichte von Münchweiler interessiert.

Wenn Sie mehr wissen wollen, sei Ihnen folgende Empfehlung ans Herz gelegt: Akribisch zusammengefasst und kompakt erzählt, hat die Geschichte von Nunkirchen und Münchweiler Fritz Glutting in seinem 1992 erschienen Heimatbuch Nunkirchen, das Sie in der Filiale der Sparkasse Nunkirchen käuflich erwerben oder hier einsehen können. Etwas poetischer, wenn auch nicht immer historisch ganz korrekt, hat Matthias Müller die Geschichte Nunkirchens in seinem Heimatbuch von 1957 dargestellt. Dieses Buch ist nicht mehr im Handel erhältlich, sehr wohl aber auf unserer Seite einsehbar.

Für alle Fans „richtiger Bücher“, bieten wir die verschiedenen Heimatbücher über Nunkirchen auch als E-Book an. Laden Sie sich einfach die entsprechende Datei herunter und übertragen Sie sie auf Ihr portables Gerät. (Eine Gebrauchsanweisung zur Übertragung der Datei auf die verschiedenen mobilen Endgeräte finden Sie hier).

Als E-Book erhältlich sind:

Eine Bildergalerie mit Aufnahmen (soweit vorhanden) der bisherigen Bürgermeister bzw. Ortsvorsteher der Gemeinde Nunkirchen  bzw. der Gemeinde Münchweiler sowie der Pfarrer der Pfarrgemeinde Nunkirchen finden Sie hier.

Und nun viel Spaß beim Lesen!

Nunkirchen
1. Nunkirchen, nicht Neunkirchen
2. Von Steinen, Römern und finsteren Zeiten
3. Könige, Fürsten, Deutsche und Franzosen
4. Wenn Biedermänner auf Revolutionäre treffen
5. Entbehrungsreiche Friedenszeiten
6. Vom „Großen Krieg“
7. Mit der braunen Pest in den Krieg
8. Neue Wege auf leisen Sohlen
Münchweiler
1. Industrieller und Schlossherr
2. Flucht vor der Revolution
3. 1932: Das Dorf entsteht
4. Mutige RenovierungEin Artikel von Fritz Glutting
aus dem Jahr 1998 fast die Entstehungsgeschichte
der Gemeinde Münchweiler zusammen

 

Nunkirchen

 

1. Nunkirchen, nicht Neunkirchen
Nein, nicht „Neunkirchen“, ich wohne in „Nunkirchen“! Tausendmal werden das die Nunkircher schon ins Telefon diktiert haben und tausendmal landete später Post im Briefkasten mit der Aufschrift „Neunkirchen“.

Nunkirchen, das ist ungewöhnlich. Über die Herkunft dieses merkwürdigen Ortsnamens wurde viel gerätselt, viel spekuliert und noch mehr geschrieben. Nunkirchen, das könnte von „Nunkircha“ vorkommen. Richtig! Das hört sich zwar lateinisch an, ist aber in Wahrheit nur latinisiert, also der Sprache Caesars angepasst. Der Trierer Erzbischof Albero schrieb seinerzeit seinen Schäfchen ins Stammbuch, dass sie gefälligst an der Wallfahrt zu Ehren des heiligen Lutwinus in Mettlach teilzunehmen hätten. Und da die Kirche die Dinge schon immer etwas gewissenhafter anging als das gemeine Fußvolk, das eh kaum lesen und schreiben konnte, tat er das auch gleich schriftlich: in einer Urkunde, die heute zwischen 1140 und 1147 datiert wird. Die Amtszeit von Albero von Montreuil ist von 1131 bis 1152 verbrieft, das heißt, die auf manchen Internetseiten und Broschüren verewigte erste urkundliche Erwähnung Nunkirchens, die aus dem Jahr 918 datieren soll, kann man heute getrost als überholt ansehen.

Dass indes auch schon im Mittelalter Orthographie nicht jedermanns Sache war, zeigt sich an der Schreibweise des Ortes. Der Name Nunkirchen wurde nach Belieben und Gutdünken variiert: mal „Nunkirke“ (1235), mal „Neunkirchen“ (1551 und 1724), mal „Brums-Nunkirchen“ bzw. „Brims-Nunkirchen“, was auf die Prims hindeutet, die noch heute Schmelz und Büschfeld von Zeit zu Zeit die Keller mit Wasser füllt. Was letzten Endes den Ausschlag für „Nunkirchen“ gegeben hat, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben. Ob „neue Kirche“, „nun haben wir eine Kirche“ oder eine so genannte „Hunkirche“, was so viel bedeutet wie Mittelpunkt einer germanischen Hundertschaft: Nichts Genaues weiß man nicht. Und das wird wohl auf Dauer auch so bleiben.

2. Von Steinen, Römern und finsteren Zeiten
Geschichte1_SmallReisen wir doch mal durch die Geschichte. So weit zurück, dass man nicht mehr mit Daten hantiert, sondern einfach nur mit Epochen. Die Steinzeit zum Beispiel. Wir stehen hoch über dem Dorf und sehen nichts. Einfach nichts. Das heißt, nicht ganz nichts. Sondern Wälder, Täler und einen kleinen Bach, der aber nicht schnurgerade in Richtung Osten fließt, sondern sich gemütlich entlang der vielen Bäume schlängelt. Menschenleer, aber idyllisch ist es hier.

Einen zeitgeschichtlichen Augenaufschlag später, sagen wir so zwischen 1250 und 750 vor Christus, der so genannten Spät-Bronzezeit, sieht das Bild schon ein wenig anders aus. Die merkwürdige Art der Menschen, sich ihrer Toten zu entledigen, bringt uns auf die Spur der Ureinwohner von Nunkirchen. Nun wird verbrannt statt vergraben, Urnenfelder werden angelegt, um Jahrtausende später – in unserem Fall 1935 – wieder entdeckt zu werden. Zu den Wäldern, die sich zur Steinzeit hier herrschaftlich ausbreiten durften, haben sich in der Bronzezeit Felder und kleine Häuser gesellt. Die Toten werden mit allerlei Gaben für ihre Reise ins Jenseitige ausgestattet: Waffen, Teller, Tassen und Schüsseln wechseln so nach Jahrhunderten ihren Besitzer. Der „Kleine Lückner“ und die „Nunkircher Hecken“ werden zum Friedhof erkoren und damit stumme Zeugen einer durchaus bewegten Geschichte.

Selbige bestimmten fortan die Römer. Caesar kam, sah und siegte und machte ganz nebenbei Trier zur Welt-Metropole auf Zeit. „Augusta Treverorum“ war die Hauptstadt der neuen römischen Provinz „Belga Prima“ und die wollte über unzählige Straßen erschlossen sein. Wir stehen also erneut hoch über dem Dorf – vielleicht auf dem Bammersch, übrigens genau 382 Meter hoch, – und schauen hinab. Wo vorher Wälder auszumachen waren, ziehen zwei Straßen – bereits aus keltischer Zeit stammend – den Blick auf sich. Sie verbinden die verschiedenen Militärstationen der Römer genauso wie einzelne Höfe und Hütten im Umland. An der Saarbrücker Straße, die damals aus nahe liegenden Gründen diesen Namen noch nicht trug, lädt eine römische Taverne, zum Verweilen ein. Schon damals wollte die Zeche bezahlt sein. Einzelne Münzfunde, vielleicht von spendierfreudigen, vielleicht aber auch von vergesslichen römischen Nunkirchern, hier zurückgelassen, erinnern an längst vergangene Gelage.

Geschichte2_smallVon Dorfstruktur kann damals noch keine Rede sein. Die entwickelt sich erst, als eine Kirche, als Dreh- und Angelpunkt fungierend, Häuser um sich gruppieren kann. Und damit wären wir in der Zeit der Franken angekommen: Land wird gerodet, Meier wachen über die Ländereien der Grundherren, die von den Märkern bewirtschaftet werden. Der Meier verwaltet den Besitz des Grundherren und wacht über die Nutzung des Saallandes, das Namensgeber für die Straße „Im Selling“ und für den Seelerbach in Nunkirchen wird. Mittlerweile hat der Mensch die Optik seiner Umgebung auf den Kopf gestellt. Wer nun auf dem Bammersch steht, sieht eine völlig veränderte Landschaft, die sich im Tal gemächlich ausbreitet. Wälder wechseln mit Feldern, die wiederum von Gärten eingrenzt werden. Und weil schon damals niemand ohne Verwaltungseinheiten auskommt, werden Gaue aus dem Boden gestampft. Die fränkischen Könige – und eben nicht die Nazis – erfanden diesen Begriff, der sich bis in unsere Tage hinein gehalten hat.

Es war Kurfürst Balduin, im fernen Trier herrschend, der den Kurstaat Trier in den Ober-Erzstift mit der Hauptstadt Trier und den Nieder-Erzstift mit der Hauptstadt Koblenz einteilte. Obwohl das die Dorfbewohner von Nunkirchen seinerzeit sicher herzlich wenig scherte, gehörten sie ab der Mitte des 14. Jahrhunderts dem Ober-Erzstift an. Etwas mehr Interesse dürfte da schon die Tatsache gefunden haben, dass Nunkirchen zusammen mit Wahlen und Niederlosheim ein Hochgericht bildete. Und das hatte es in sich. Der Galgenberg liefert – heute allerdings nur noch mit seinem Namen – ein eindrucksvolles Zeugnis davon, wie früher Recht gesprochen wurde. Die Delinquenten absolvierten ihren letzten Weg gen Galgen denn auch folgerichtig durch die „Schäksgass“, auf Hochdeutsch Schurkengasse, die heute Newerweg genannt wird.

3. Könige, Fürsten, Deutsche und Franzosen
Geschichte3_smallDas Mittelalter – im 20. Jahrhundert immer als düster und grausam verschrien – hatte aber allen Unkenrufen zum Trotz helle und schöne Momente. Kunst und Musik erlebten eine nie geahnte Blüte. Auf dem Land galt es allerdings eher, Überlebensstrategien zu entwickeln. Ein Unterfangen, das sich angesichts einer Sterberate von über 50 Prozent in den ersten 20 Lebensjahren als recht schwierig erweisen konnte. Und weil der Mensch des Menschen Feind ist, und das Leid an sich als solches noch kein Hemmnis darstellt, setzt die Obrigkeit Mitte des 17. Jahrhunderts der Existenzangst der einfachen Menschen die Krone auf. Wir schreiben das Jahr 1648: Während im so genannten „Westfälischen Frieden“ die feinen Herren im fernen Münster bzw. Osnabrück Verträge schließen, verrecken die Menschen im weiten Land an den Folgen des Dreißigjährigen Krieges. 25 Feuerstellen im Dorf kündeten 1618 von einer bewegten Vergangenheit. Eine einzige bleibt 1648 übrig – acht Familien teilen sich das kaum wärmende Licht.

Geschichte4_smallZum Aufatmen bleibt allerdings auch nach dem formalen Friedensschluss keine Zeit. Adel und Klerus – allzeit für einen Krieg bereit – drängt es bereits zu neuen zweifelhaften Taten. Die absolutistische Hand Ludwigs XIV. ist auch im fernen Nunkirchen zu spüren. Um 1670 macht sich nämlich Militär im kleinen Dorf breit. Der Sonnenkönig braucht Geld und verlangt es den Ärmsten der Ärmsten ab. „L’état c’est moi“ – Der Staat bin ich. Aber die Zeit macht auch vor Königen nicht halt. Sie kommen und gehen. Und zuweilen landen sie auch auf dem Schafott.

Nunkirchen ist inzwischen aller Widrigkeiten zum Trotz ein recht ansehnliches Dörfchen geworden. Eines, das sich allerdings haarscharf an der Grenze zweier sich aufs Messer bekämpfender Machtblöcke wiederfindet. Zwischen Beckingen und Saarhölzbach verläuft die Grenze mitten durch die Saar. Nunkirchen gehört zum Kurstaat Trier. Links davon breitet sich Frankreich aus. An dieser Nahtstelle wird der Grundstein für eine Jahrhunderte lange Fehde gelegt, die Millionen von Menschen im Laufe der darauf folgenden Jahrhunderte das Leben kosten wird.

Ja, die Franzosen. Sie bestimmen fortan das Schicksal der Saarländer, die um 1790 noch gar nicht ahnen, was ihnen in den kommenden beiden Jahrhunderten so alles blühen wird. Noch jubeln sie den Franzosen zu. Und sei es auch nur, um sich der ungeliebten Adligen zu entledigen, die von den Revolutionären umgehend in die Wüste geschickt werden. Jubelschreie werden im Dorf nicht vernommen, eher eine zaghafte Erleichterung: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Hört sich gut an! Die Wahrheit allerdings sieht anders aus. Wie Keulenhiebe sausen unmäßige Kontributionslasten auf den braven Bürger nieder. Und neue Besen kehren gut: Die 275 Einwohner (1794) werden kräftig zur Kasse gebeten, während aus den früheren Gemeindeverwaltungen „Mairien“ werden, die wiederum über „Arrondissements“ in „Cantonen“ zusammengefasst werden. Die Obereinheit bildete das „Département de la Sarre“,das seinen Sitz bezeichnenderweise in Trier hatte.

Was unsere französischen Nachbarn bis auf den heutigen Tag – zumindest in Grundzügen – beibehalten haben, nämlich ihre Verwaltungsstruktur, hielt auf vermeintlich deutscher Seite noch keine 25 Jahre. Der Wiener Kongress ordnet 1815 am Grünen Tisch die alte Welt neu. Alte Staaten verschwinden, neue erblicken das Licht der Weltgeschichte. Das Gebiet um die Saar wird wieder einmal neu gegliedert. Ganz so als ob man einen Würfelbecher nähme und einfach einmal gründlich rüttelte und schüttelte. Und die Überraschung ist perfekt: Nunkirchen wird preußisch.

4. Wenn Biedermänner auf Revolutionäre treffen
Es ist die Zeit der Biedermänner und -frauen, die Zeit des Rückzugs ins Private. Von der großen Politik haben die meisten eh die Nase voll, zu oft wurde, analog zu heute, viel versprochen und wenig gehalten. Es ist eine ruhige Zeit, in der das früher so kleine Dorf beachtlich wächst. Immerhin 919 Einwohner zählt Nunkirchen 1843. Rechnet man Gottbillshütte (33 Einwohner) und Münchweiler (65 Einwohner) hinzu, bringen die Nunkircher das Kunststück fertig, das den anderen Hochwalddörfern verwehrt bleibt: mehr als 1000 Einwohner zu haben!

Schauen wir uns also das Dorf wieder von oben an. Vom Bammersch, der seinen Namen der volkstümlichen Verunglimpfung des Worts „Bannbüsch“ (Verbot des Jagens für Nicht-Befugte) verdankt: Nunkirchen, ein Dorf relativ chaotisch um die viel zu kleine Dorfkirche errichtet, deren Turm, damals noch in eine andere Richtung zeigte als heute, schlummert friedlich. Ein Schulhaus ist im Jahre 1820 (Klosterstraße) hinzugekommen und viele, viele Häuser folgten dem Beispiel, das typisch für die Entwicklung des Zeitgeistes ist: die Epoche der industriellen Revolution kündigt sich an. Aber bevor die kommt, sehen wir neben dem friedlichen Bach, der sich in alljährlichem Überschwemmungsreigen, seinen Weg nach Büschfeld bahnt, einen Menschenauflauf.

Nein, in Nunkirchen gibt’s keine Revolution. Die wird 1848 im fernen Berlin, im nahen Frankfurt und in München gemacht. Mit bescheidenem Erfolg allerdings. Die Menschen laufen trotzdem auf die Straße, wollen mehr wissen. Doch nachher ist wie vorher. Und dennoch nichts genauso, wie es immer war. Deutschland wird zum Nationalstaat und damit werden Grenzen wieder zu Heiligtümern. Und die Saar ist eine Grenzregion. Ab 1870 bekommen das auch die Franzosen zu spüren. Der deutsch-französische Krieg bringt Frankreich den Verlust von Elsass-Lothringen und führt auf der anderen Rheinseite zur Gründung des Deutschen Reiches. Die dramatisch-blutigen Schlachten von Spichern oder Mars-la-Tour, die auch zwei Nunkircher das Leben kosten, offenbaren eine neue Art, Krieg zu führen und sind doch Zeugnis der alten preußischen Kriegstechnik, die bis 1914 im negativen Sinne des Wortes revolutioniert werden wird. Das Morden wird mechanisch.

5. Entbehrungsreiche Friedenszeiten
Doch bis erneut die „Räder für den Sieg rollen“ und Menschen fürs Vaterland ihr Leben in irgendwelchen Schützengräben lassen, vergeht eine für unsere Region ungewohnt lange Periode von relativem Frieden an den Grenzen. Dafür rumort es im Innern des Landes. Der Kampf zwischen katholischer Kirche einerseits und dem Staat, oder genauer gesagt, seinem Reichskanzler Bismarck, andererseits, eskaliert ebenso wie die Spaltung der Gesellschaft. Es gibt nun Sozialisten und Kommunisten auf der einen Seite. Von ihnen versprechen sich viele Bergarbeiter eine Besserung ihrer Lage. Auf der anderen Seite stehen die Konservativen, eher bürgerlich Gesinnte, die das Rad der Zeit am liebsten zurückdrehen würden. Dicke Luft ist angesagt, die sich im Bergmannsstreit 1892/93 entlädt, der wiederum die Entlassung von 2500 Kumpel nach sich zieht.

Auch viele Nunkircher arbeiten damals unter Tage. Sie wohnen in so genannten Schlafhäusern, nahe der Grube und kommen nur am Wochenende nach Hause. Diese eigentümliche Völkerwanderung hat übrigens bis heute noch Einfluss auf unseren Dialekt. Etliche Ausdrücke, die wir täglich benutzen, stammen aus jener Zeit und sind dennoch nicht typisch für die moselfränkische Mundart, die im nördlichen Saarland gesprochen wird. Dass aus stolzen Bergleuten einmal Bettler werden würden, hätte sich früher niemand träumen lassen. Dafür braucht man schon neue Wörter, wenn sie einem nicht überhaupt gänzlich fehlen.

Geschichte5_smallZwischen 1870 und 1914 beschäftigt sich der Gemeinderat Nunkirchen etliche Male mit nur einer einzigen Frage: Wie kann der hungernden Bevölkerung geholfen werden? Solidarität ist gefragt und sie wird geboten. Aber nur mit sehr bescheidenen Mitteln und ebenso bescheidenem Erfolg. Und trotz bitterster Not baut man in Nunkirchen eine neue Pfarrkirche, die 1896 konsekriert wird. Die drückende Armut indes lässt so manchen auf eine Idee kommen, die in ganz Europa gerade schwer in Mode kommt: nämlich die Koffer zu packen und auszuwandern. Amerika heißt das erklärte Ziel, das zwischen 1813 und etwa 1900 für weit mehr als 120 Menschen zur neuen Heimat wird.

6. Vom „Großen Krieg“
Das neue Jahrhundert ist eigentlich gar kein neues. Das alte bleibt und zwar noch bis Sommer 1914. Es ist der 31. Juli 1914. Auf den Straßen des Dorfes herrscht alles andere als Ruhe: Die Leute sind gespannt, wollen Neuigkeiten über die Situation und die alles entscheidende Frage lautet: Wann erfolgt die Mobilmachung? Der Feldschütz hat am Abend des 1. August die „ehrenvolle Aufgabe“, des Kaisers Proklamation zu verlesen, die nichts anderes verkündet als das Todesurteil für Millionen von Menschen. Doch daran denkt in diesem Augenblick niemand. Euphorie macht sich breit, der Erzfeind Frankreich soll endgültig in die Knie gezwungen werden. Auch dafür beten die Menschen an jenem Abend und manche auch noch am nächsten Morgen in der neuen Pfarrkirche, die seit dem 26. April 1896 brav ihren Dienst versieht und über das Heil der ihr anvertrauten Schäfchen wachen soll.

Doch das ist in diesen unruhigen Zeiten wohl zu viel verlangt. Seit der Innenrenovierung der Pfarrkirche kann man sich wieder ein sehr eindrucksvolles Bild davon machen, was es heißt, auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges gestorben zu sein. Die Namen der Gefallenen sind in den Seitenschiffen der Kirche nachzulesen. Die Namen jener also, die den vermeintlichen Heldentod gestorben sind für Vaterland und Kaiser. Letzter darf sich nach der verheerenden Niederlage vom November 1918 nach Holland auf einen Landsitz zurückziehen, während der Boden von Verdun die Farbe in dunkelrot wechselt und sein Reich um 13 Prozent geschmälert wird.

Unter diese 13 Prozent fällt auch das Saargebiet, das unter französische Militärverwaltung gerät. Da hätten sich auch viele Nunkircher gerne gesehen. Immerhin sind die lohnenden Arbeitsplätze im südlichen Saarbecken zu ergattern und nicht in den nördlichen, landwirtschaftlich geprägten Landesteilen. Aber der Versailler Vertrag sieht anderes vor. Nunkirchen bleibt deutsch. Und für lange Jahre getrennt vom übrigen Saargebiet.

So kommt es denn auch, dass, wer am Nachmittag des 19. Mai 1919 von Schmelz nach Nunkirchen will, ein merkwürdiges Szenario erlebt: „Papiere bitte!“, fordert der Zollbeamte eindringlich. Pünktlich zur Mittagsstunde nahm die neue Staatsgrenze ihren Dienst auf. Nunkirchen ist Zollgrenzbezirk, was die Bevölkerung gerade in den 20er Jahren teuer zu stehen kommt. Die Mark verliert Tag für Tag an Wert, während der Franken stabil Kurs hält. Ende 1923 kostet ein Brot zwar vier Billionen Mark, aber immer noch zwei Franken. Das französische Geld ersetzt – nicht zuletzt dank der Kaufkraft der Berg- und Hüttenarbeiter, die in Franken entlohnt werden – die heimische Währung. Erst im Dezember 1923, mit Einführung der Rentenmark, entschärft sich die Lage spürbar.

7. Mit der braunen Pest in den Krieg
Das so genannte „Diktat von Versailles“ sorgt dafür, dass die Konjunktur im Deutschen Reich nie so recht auf die Beine kommt. Reparationszahlungen, Rheinland-Besetzung und die Uneinigkeit der Deutschen selbst, ob man einen Kaiser braucht, die Demokratie im Keim ersticken muss oder selbst für Ordnung sorgen soll, liefern denen Vorschub, die die nächste Katastrophe über Europa bringen werden: den Nazis.

Viel Sympathie hegen die katholischen Nunkircher inzwischen scheinbar nicht mehr für die braunen Fanatiker. Doch je dramatischer die wirtschaftliche Lage wird, desto sicherer erscheint die Nazi-Partei als Rettungsanker. Am 30. Januar 1933 ist es soweit: Hitler wird Reichskanzler und der Grundstein zum Untergang der alten Welt gelegt. In Nunkirchen wird das, wie wohl in ganz Deutschland, gefeiert. Hakenkreuzfahnen werden auf der Schule gehisst und der „Tag der Arbeit“ zur Pflichtübung treuer Volkgenossen erklärt.

Die Saarabstimmung, die dem früheren Saargebiet 1935 den damals für viele Widerständler fatalen Anschluss an das Deutsche Reich bringt, sorgt für helle Aufregung im Dorf. Immerhin ist man Grenzgemeinde und mitten drin in einem Drama der Weltgeschichte. Dieses entschärft sich zumindest lokal bald wieder, während die braune Pest gen Süden zieht.

Nunkirchen ist ein für damalige Verhältnisse riesiges Dorf. 1688 Einwohner zählt der Ort mittlerweile. So manch strammer Nazi schickt sich an, die Organisation des dörflichen Lebens zu übernehmen: Kinderlandverschickung, Winterhilfswerk und Mobilmachung, Judenhass und Fremdenfeindlichkeit. Nunkirchen liegt in Deutschland, mittendrin, trotz Randlage. Auch politisch. Im heißen Sommer 1939 wird dann das, was viele fürchten, bittere Gewissheit: Die Reservisten und Urlauber der Wehrmacht werden eingezogen. Der Zweite Weltkrieg wirft seine dunklen Schatten voraus.

Der 1. September 1939, der Tag, an dem die deutsche Wehrmacht in Polen einfällt und so mancher ob des sich abzeichnenden Unheils den Atem anhält, verläuft in Nunkirchen fast friedlich. Ein paar Evakuierte aus dem südlichen Saarland finden sich ein. Sonst nichts. Als im Mai 1940 Luxemburg, Belgien und Frankreich fast im Handstreich genommen werden, scheint für viele die Welt noch immer in Ordnung. Doch das Blatt wendet sich, der Krieg kommt dorthin zurück, wo er hergekommen ist. Der Kriegseintritt Russlands, der Einsatz der Amerikaner verschärfen die Lage an der Front, der Hunger die zu Hause.

Es ist die Nacht zum 1. Mai 1944. In Nunkirchen ist es stockfinster. Doch in der Luft tobt der Kampf mehrerer Flugzeuge, der einem Piloten das Leben kosten wird. In der Nacht vom 25. auf den 26. August explodiert gar ein englischer Bomber in der Luft. Die kläglichen Reste der Maschine kann man im ganzen Dorf aufsammeln. Im September 1944 ahnen die meisten, wohin dieser Krieg führen wird: in die Katastrophe. Schanzdienst wird angeordnet, Panzersperren werden gebaut, dennoch wird der Ort das Ziel von Bombenabwürfen, die im Oberdorf einschlagen. Im März 1945 ist die Frage des Kriegsendes für die Nunkircher nur noch eine von Stunden. Vom Losheim kommend beenden sie Hitlers Krieg – zumindest in Nunkirchen – am 17. März gegen acht Uhr morgens. 72 Einwohner des Ortes hat er das Leben gekostet.

8. Neue Wege auf leisen Sohlen
Das Ende des Krieges bringt keineswegs das Ende der Not. Nach den Amerikanern kommen die Belgier, die dann durch die Franzosen abgelöst werden, die das Saarland größer, den Hunger aber kaum kleiner machen können. Die Versorgungslage wird katastrophal, zumal die Menschen aus den Ballungsräumen an der Saar in den Hochwald pilgern, um dort bei den Bauern Nahrung zu kaufen. Nunkirchen liegt wieder mal an der Grenze, die jetzt im Norden das Saarland von Deutschland trennt und die Schmuggler wie zu alten Zeiten auf den Plan ruft. Aus der Reichsmark wird die Saarmark und später der Franc. Aber was ist schon Geld?

Mit der Abstimmung für bzw. gegen die Europäisierung des Landes, die trotz leidvoller Erfahrung der Menschen durch die ablehnende Haltung der Bevölkerung zum Saar-Statut ein klares Bekenntnis zu Deutschland bringt, wechseln die Nunkircher erneut die Nationalität. Am 1. Januar 1957 werden sie Deutsche, wirtschaftlich aber erst am 6. Juli 1959 der Bundesrepublik angegliedert. In Nunkirchen ist die Zustimmung zu Deutschland nicht ganz so groß wie im übrigen Land. Für die Europäisierung stimmten immerhin 42,4 Prozent, dagegen allerdings 57,6 Prozent.

Das Saarland ist jetzt zehntes Bundesland und die Saarländer entwickeln das, was ihnen jahrelang gefehlt hat: eine ausgeprägte Identifikation mit ihrem Land, auch Heimatgefühl genannt. Überall wird renoviert, nicht immer mit glücklicher Hand: Viele schöne Altbauten dem Zeitgeist angepasst und damit optisch ruiniert. Die Straßen werden breiter und das Dorf größer. Fast 2200 Einwohner zählt Nunkirchen, als durch die Gebietsreform aus der selbstständigen Gemeinde unter Zugehörigkeit zum Amt Weiskirchen 1974 der größte Gemeindebezirk der Gemeinde Wadern wird. Münchweiler wird für zu klein erklärt, um eine eigenständige Ortschaft zu bilden. Das Dorf wird kurzerhand Nunkirchen angeschlossen. Aus dem Gemeinderat wird ein Ortsrat, aus dem Ortsbürgermeister ein Ortsvorsteher und aus der Gemeinde Wadern 1978 die Stadt Wadern. Ansonsten bleibt alles beim Alten.

Und heute? Ach, stellen wir uns doch einfach wieder auf den Bammersch. Von dem man, – Geschichte hin, Reformen her ­– noch immer eine wunderschöne Sicht auf den Hochwald hat. Nunkirchen pulsiert. Auch wenn in mancher Hinsicht anders als mancher der rund2500 Einwohner sich das vielleicht wünscht. Drei stark befahrene Straßen sorgen für Durchgangsverkehr, der nicht nur die Geschäfte der Gewerbetreibenden bestimmt, sondern auch so manchen Anwohner schier in die Verzweiflung treibt. Neubaugebiete geben denen Platz, die zwar in Nunkirchen leben, aber in Saarbrücken, Trier oder Luxemburg arbeiten. Globalisierung en miniature nennt man so etwas. Und die Frage: „Nunkirchen? – Sie meinten doch Neunkirchen?!“ wird noch immer gestellt. Ganz so, als ob es diese bewegte Geschichte einfach nicht gegeben hätte.


Münchweiler

Anmutig, fast schon erhaben, breiten sie ihre ausladenden Kronen aus. Eine löchrige, ebenso wenig stilechte wie zielgerichtete asphaltierte Straße zeugt vom sorglosen Umgang der Menschen mit ihrer Geschichte. Die Kastanien, die links und rechts die Zufahrt zum Schlossgemäuer Münchweiler säumen, haben auch schon bessere Tage gesehen. Sie sehnen sich nach Stolz und Anmut.

Siedlerhöfe aus den 30er Jahren und Neubauten aus den späten 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, das ist die Wirklichkeit der ersten Jahre des neuen Jahrtausends. Und dennoch, wer Augen zum Sehen, Ohren zum Hören und Sinn für verborgene Schönheit hat, stößt hinter der Fassade der Alltäglichkeit auf ein Meisterwerk der Architektur, ein Kleinod barocker Baukunst und eine Oase der Kultur, die man im Saarland so sonst nur sehr selten findet.

1. Industrieller und Schlossherr
Ob das auch Freiherr Emmerich Carl Josef Zandt von Merl zu Weiskirchen schon so gesehen hat? Der Mann mit dem komplizierten, aber durchaus wohlklingenden Namen ist eisenhart, sprich, er macht in Eisen. 1724 gründet er ein Werk, das das rostbraune Erz in bare Münze verwandeln soll. Ein Werksgebäude an der Straße, die heute Nunkirchen mit Losheim verbindet, vier Wasserräder, zwei Schmelzöfen, ein Direktionsgebäude mit großem Garten, Wohnungen für acht Arbeiterfamilien und eine Ziegelhütte scharen sich ab 1740 um eine Kapelle, die vielleicht sogar schon eine Vorgängerin gehabt hat.

Damit gibt es also mit einem Mal zwei Eisenschmelzen in der Gegend. Carl Gottbill, in Nunkirchen schon erfolgreicher Unternehmer, erkennt etwa um 1742 den Ernst der kommerziellen Lage: Zusammen mit Conrad Lehnen überzeugt er Freiherr Emmerich Carl Joseph von Zandt davon, dass eins plus eins eins ergibt und übernimmt laut Konsortiumsvertrag vom 5. Mai 1743 im Gegenzug für jährlich 500 Reichsthaler, 1000 Pfund geschlagenes Eisen und 500 Pfund Gusseisen, die an den Verpächter abzutreten sind, das Konkurrenz-unternehmen. Der Pachtvertrag wird am 18. Januar 1750 zwar noch einmal verlängert, 1753 aber ist der Sohn Freiherr Franz Georg von Zandt wieder Herr im eigenen Hause. Die Eisenschmelze, für damalige Zeiten ein gigantischer Betrieb, kehrt in den Familienbesitz zurück.

Ein Eigentum, das allerdings auch verpflichtet. Auch in puncto Repräsentation. In drei Bauabschnitten von 1750 und 1763 lässt sich Reichsfreiherr Zandt von Merl den Prunksitz errichten, der seinem Range würdig ist – übrigens in eigener architektonischer Regie: Schloss Münchweiler. Oder sagen wir besser: das Schlossgut Münchweiler, mit prächtiger Fassade, weit ausladenden Stallungen und herrlichem Park. Ein Schlossgut, das in seiner Konzeption die Gedankenspiele des Bauherrn nicht nur erahnen, sondern sie auch heute noch lebendig werden lässt.

In den Grundzügen entsteht Mitte des 18. Jahrhunderts in Münchweiler ein Schloss, das dem Hochbarock verpflichtet ist und bis 1773 – nicht zuletzt dank des Engagements der zweiten Ehefrau des Reichsfreiherrn, Agnes Apollonia Elisabeth, geborene Freiin von Hagen – um zwei Giebelfronten erweitert wird. Die ehemals beim Eisenwerk gelegene wesentlich ältere Kapelle findet ebenfalls um diese Zeit im Schloss eine neue Heimat.

2. Flucht vor der Revolution
Was 1789 in Frankreich unter den Schlagworten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit die Runde macht und wenig später in Staatsterror neuer Prägung gipfelt, greift in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts auch auf unsere Region über. Die französischen Revolutionstruppen marschieren gen Norden und Osten und machen dabei Jagd auf blaues Blut und noch viel mehr, auf blaublütigen Besitz. Familie von Zandt wird enteignet, das Schloss geplündert. Als die meisten Revolutionsköpfe in Paris gerollt sind und der Adel 1801 seinen Besitz für teures Geld zumindest teilweise zurückkaufen kann, ist Schloss Münchweiler noch immer ein Prachtschloss – zumindest nach außen hin. Innen herrscht gähnende Leere. Die Revolution hat das Mobiliar „gefressen“.

Agnes Apollonia, Freifrau von Zandt, die aus der benachbarten Burg Büschfeld stammt, und ihr Sohn, Hugo von Zandt, der ganz nebenbei auch noch Kaiserlich Königlicher Kämmerer am Hof von Kaiser Franz II. von Österreich ist, bemühen sich redlich, das daniederliegende Eisenwerk wieder in Gang zu bringen. Aber Geschäft ist Geschäft. Und das läuft in jenen Tagen wenig prächtig. 1804 wird die Schmelze an das Hüttenwerk in Dillingen verpachtet, 1819 an dasselbe Unternehmen verkauft, bevor 1868 der Betrieb endgültig eingestellt wird.

Hugo von Zandt, der nach den revolutionären Unruhen 1816 wieder Bürgermeister der Bürgermeisterei Weierweiler geworden ist, stirbt 1845. Sein Sohn René heiratet Catharina Schaack, die Tochter eines Weinhändlers, der neben seinen Weinbergen an der Mosel, im Hochwald – und auch in Nunkirchen – bereits viele Ländereien sein Eigen nennt. Die Hochzeit mag eine Liebesheirat gewesen sein, finanziell vernünftig war dieser Bund fürs Leben auf jeden Fall. Denn um 1840 ist das Gut Münchweiler hoch verschuldet. Der Gläubiger, dem zu jenem Zeitpunkt 50 Prozent des Besitzes gehören, heißt Johann Baptist Schaack und ist eben jener vermögende Kaufmann aus Trier. Für Familie von Zandt lösen sich durch die Vermählung mit der Tochter des Gläubigers gleich zwei Fragen in Wohlgefallen auf: die der Schulden und jene eines Erben, denn dem Ehepaar sind neun Kinder vergönnt.

René und Catharina von Zandt hinterlassen ihren Erben denn auch ein wunderbar hergerichtetes Zuhause, das diese später unter sich aufteilen. Gottfried und Emma wohnen im Mittelschloss, Ferdinand, der als Repräsentant der Familie sowohl im Kreis- als auch im Landtag sitzt, residiert mit Frau und Sohn Rudolf im Nordflügel. Egon, der zwei Söhne (Gottfried und Alexander) sowie eine Tochter (Luise) hat, bezieht den Prunkflügel des Anwesens. Otto erhält das Vorwerk. So wohnt fast die komplette Familie unter einem Dach. Ein beileibe nicht immer ungetrübtes Idyll, denn mit der Aufteilung beginnt die eigentliche Tragödie des Schlosses. Das ebenso prächtige wie kostspielige Anwesen hat mit einem Mal mehrere Besitzer und die entwickeln zwischen 1860 und 1886 eine emsige Bautätigkeit, die sich sowohl auf das Schloss als auch auf den Wirtschaftshof auswirkt. Der Nord- und der Südflügel erleben so bedeutende Veränderungen. Die Kapelle wird verlagert, ein neuer Südeingang angelegt und ein Prunkwappen angebracht.

Als Egons Sohn Gottfried Schlossherr wird, scheint die Zukunft der Familie von Zandt gesichert. Doch ein Zweig der Familie stirbt in der nächsten Generation aus. Und so ruhen die Hoffnungen der Familie auf Gottfrieds Sohn Horst, der im Zweiten Weltkrieg fällt.

3. 1932: Das Dorf entsteht
Noch zu Lebzeiten Gottfrieds, 1932, wird der Ort Münchweiler aus dem Boden gestampft. 720 Morgen Land, was ungefähr 184 Hektar entspricht, wechseln den Besitzer und werden aus dem Hofgut Münchweiler, dem finanziell das Wasser bis zum Hals steht, herausgelöst. 12 Siedler lassen sich im kleinen Dorf nieder, acht davon in neuen Häusern, vier in renovierten Gebäuden, die bis dato zum Hofgut gehörten.

Münchweiler hat seine eigene kommunale Verwaltung, der anfangs das älteste männliche Familienmitglied derer von Zandt vorsitzt. Dem Ansinnen, das kleine Örtchen nach Nunkirchen einzugemeinden, versagt der Gemeinderat Nunkirchen 1932 die Gefolgschaft. Münchweiler bleibt also selbstständig, hat einen eigenen Rat, der aus Vertretern der ansässigen Familien gewählt wird. Und das Dorf hat seinen eigenen Bürgermeister.

Doch die Zeiten werden rauer und die politischen Karten neu gemischt. Das Wort „Reformen“ macht nach dem Zweiten Weltkrieg geradezu inflationär die Runde. Eine trifft Münchweiler ganz besonders. Die Gebietsreform in den 70er Jahren bringt das, was der Gemeinderat Nunkirchen 1932 noch einstimmig abgelehnt hatte: Münchweiler wird Teil des Nachbarortes. Mit der Verleihung der Stadtrechte an die ehemalige Gemeinde Wadern, am 1. Juli 1978, weht in Münchweiler Stadtluft, die sich mit herzhafter Landluft zuweilen nur widerwillig mischt. Auch auf dem Schloss stehen die Uhren nicht still. Der Zahn der Zeit nagt am alten Gemäuer und die Ebbe in den Kassen sorgt dafür, dass der schlimmsten baulichen Not kaum Einhalt geboten werden kann. 1952 heiratet Gottfrieds Tochter, Brigitte von Zandt, die von ihrem Vater dessen Anteil am Schloss geerbt hat, den thüringischen Gutsbesitzer Gangloff von Hagke aus thüringischem Uradel. Beide erwerben 1959 von der Erbin ihrer Tante Olga, Ehefrau von Rudolf, deren noch verbliebenenen Anteil am Schloss zurück. Damit hat das Schloss nach 100 Jahren erstmals wieder nur einen Besitzer. Brigitte betreibt bis zu ihrem Tode im Jahr 1997 eine kleine Gaststätte im Schloss, der früher auch noch ein paar Fremdenzimmer angegliedert waren.

Schloss3_SmallDer prächtige Bau indes erlebt einen rasanten Niedergang. Das Schloss wird von einer herrschaftlichen Residenz zum billigen Fotomotiv für Idylle suchende Frischvermählte degradiert. Stürme mit weiblichem Namen und ebensolchem Temperament und mangelnde finanzielle Mittel tun das ihre, um der brüchigen Substanz den Rest zu geben. Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts erinnert nur noch wenig an die einstige Pracht, die Schloss Münchweiler berühmt und seine Bewohner zu einer der angesehensten Adelsfamilien weit und breit gemacht hatte.

4. Mutige Renovierung
Mit dem Mut zur Tat und einer in diesem Fall günstigen Unkenntnis über den tatsächlichen baulichen Zustand des alten Gemäuers übernehmen Dietrich-Bernhard von Hagke, Sohn Gangloffs, und seine Frau Annmarie 1997 die Geschicke auf Schloss Münchweiler. Mit viel Liebe zum Detail und manchem bitteren Kampf gegen kulturelles Unverständnis geht es seither zur Sache.

Heute erstrahlt das Schloss in weiten Teilen wieder in altem Glanz. Den Räumen wird langsam aber sicher die Klasse, die sie im Laufe der Jahrhunderte nur ungern abgegeben haben, zurückgegeben. Und man ahnt, dass Schloss Münchweiler eine Renaissance erleben wird. Mit Hotel, mit Gästen, mit Menschen, denen Geschichte Geschichten erzählt. Geschichten von Stolz und Anmut, Pracht und Prunk. So, wie es den alten Kastanien schon immer gefallen hat.