Widerstand gegen den Nationalsozialismus

1992 hat die Stadt Wadern ein Buch herausgegeben, das sich mit der Thematik Widerstand gegen den Nationalsozialismus in der Stadt Wadern befasste. Darin ist auch ein Artikel über Nikolaus Demmer zu finden. Der Pfarrer, der in Nunkirchen geboren und begraben wurde, war ein strikter Gegner der Nazis. Er blieb sowohl seinem Glauben als auch seiner humanistisch geprägten Weltanschauung treu. Der nachfolgende Artikel von Stefan Trauten ist ein Auszug aus dem Buch „“Widerstand und Vertreibung“.

NikolausDemmer_sw_kleinNikolaus Demmer wurde am 30. April 1892 in Nunkirchen geboren. Noch vor seiner Geburt verunglückte sein Vater an seiner Arbeitsstelle tödlich. Der Junge wuchs als Halbwaise in seinem Heimatort auf, betreut von seiner Mutter Maria Demmer. Hilfe bei der Erziehung ihres Sohnes erhielt die Mutter von ihrer Schwester, der Lehrerin Katharina Latz, die die Familie nach dem Tode des Ernährers auch finanziell unterstützte. Die stark religiös geprägte Tante ermöglichte ihrem Neffen Gymnasiumsbesuch und Theologiestudium in Trier. Nach seiner Priesterweihe am 7. August 1921 im Dom zu Trier verrichtete Demmer seinen Dienst als Kaplan in Halsenbach, Großrosseln und Adenau und ab 1929 als Pastor in der Pfarrei Mandern-Waldweiler.
Foto rechts: Franz-Josef Kirst

Den Kontakt zu seinem Heimatort Nunkirchen verlor er nie. Besonders in den zwanziger Jahren besuchte er häufig seine Mutter, die 1929 starb. Bis zu seiner Flucht ins Saargebiet 1933 wurde der Kontakt zu Nunkirchen über die Familie Peter Spang, mit der ihn verwandtschaftliche Beziehungen verknüpften, weitergepflegt und nach dem Ende des Krieges 1945 wieder aufgenommen. Seine letzte Ruhestätte fand Nikolaus Demmer auf dem Friedhof in Nunkirchen, nachdem er am 4. Juli 1954 an den Folgen einer Erkrankung verstarb, die er sich in der Zeit der Verfolgung durch das NS-Regime zugezogen hatte.

Die nachfolgende Kurzbiographie, die in einigen knappen Zügen die Verfolgung Dernmers durch die Nazis aufzeigt, ist ein Auszug aus der Diplomarbeit des Kaplans Stefan Trauten „Der katholische Klerus und der Nationalsozialismus im Landkreis Trier“, in der in einer ausführlichen Darstellung der Widerstandskämpfer Nikolaus Demmer gewürdigt wird: Pfarrer Nikolaus Demmer, Mitglied der Zentrumspartei, war am 22. Februar 1929 in die arme Pfarrei Mandern-Waldweiler gekommen. In Parteiversammlungen bezog er schon sehr früh Stellung gegen den Nationalsozialismus. Bald als Nazigegner in der ganzen Gegend bekannt, erschienen 1932 SA-Männer aus den Nachbarorten auf seinen Versammlungen und störten diese so, daß sie aufgelöst werden mussten. Doch immer wieder warnte er auch von der Kanzel her vor der NSDAP und prangerte die Terrorakte ihrer Kampfverbände in den Städten an. Besonders ereiferte er sich gegen die sich ausbreitenden Unrechtmaßnahmen der Partei gegen die jüdischen Bewohner von Zerf und Schillingen. Bald wurde er zum erklärten Feind der Nazis abgestempelt, und es wurde von nun an ständig versucht, dem Pfarrer etwas anzuhängen. So wurde im Oktober 1933 vom Oberstaatsanwalt Strafantrag gegen Pfarrer Demmer gestellt, weil er angeblich den Ortsvorsteher beleidigt habe. Das Gericht verurteilte Demmer zu einer Geldstrafe von 100 Reichsmark oder zehn Tagen Gefängnis. Ohne sein Wissen sammelten seine Pfarrkinder jedoch das Geld und bezahlten seine Strafe.

Die Menschen im Ort wurden durch diese Ereignisse sehr beunruhigt, zumal man befürchtete, dass der beliebte Pfarrer versetzt werden könnte. Es kam jedoch alles ganz anders. Aufgrund eines anonymen Anrufs, in dem Pfarrer Demmer gewarnt wurde und man ihm riet, ins Saargebiet zu flüchten, fuhr Pfarrer Demmer nach Trier zu seiner bischöflichen Behörde. Dort erreichte ihn die Nachricht, dass die SA bereits in Mandern vor dem Pfarrhaus auf ihn warte. Deshalb brachte ihn ein guter Bekannter nachts über die Grenze ins Saargebiet. Der mit ihm befreundete Pfarrer Meffert übertrug ihm hier später die Expositur Bilsdorf. Anfangs herrschte dort Ruhe. Aber im Reich gingen die Untersuchungen weiter. Die Berliner Gestapo ordnete auf einen Bericht aus Trier an, der Regierungspräsident solle sich mit dem Fall Demmer befassen. So erging am 26. April 1934 Haftbefehl gegen Pfarrer Demmer, der in seinen Predigten in Mandern den Nationalsozialismus als falschen Nationalismus und Zerrbild des Nationalismus bezeichnet haben soll. Ferner: Der Nationalsozialismus führt zur Katastrophe der Welt! Wegen dieser und ähnlicher Äußerungen wurde ein Steckbrief an die Reichskriminalpolizei gegeben.

GrabNikolausDemmer_smallDoch auch im Saargebiet hielt Pfarrer Demmer mit seiner Meinung über den Nationalsozialismus nicht hinter dem Berg. Auch hier arbeiteten die Nazis schon gegen ihn. Es wurden verschiedene Versuche unternommen, Nikolaus Demmer ins Reich zu entführen. Die Nazis schreckten selbst vor einem nächtlichen Einbruch ins Pfarrhaus von Bilsdorf nicht zurück, um zu ihrem Ziel zu kommen. Am 15. Januar 1935 wurde das Saargebiet ins Reich eingegliedert. Pfarrer Nikolaus Demmer flüchtete über Frankreich in das benachbarte Luxemburg. Hier konnte er sich zwar frei bewegen, doch hatte er weder Gehalt noch andere Einkünfte. Seine treue Hausangestellte Anna Kirst versorgte ihn mit dem, was sie aus dem bäuerlichen Betrieb ihrer Eltern nach Redingen mitbrachte, wenn sie ihn besuchte. Bald kamen auch noch kleine Einkünfte hinzu, die er sich durch Mithilfe in der Pfarrei Redingen verdiente.

Im Reich verfolgte man weiter die Spuren des Pfarrers Nikolaus Demmer. Im Mai 1939 meldete die Gestapo München nach Trier, gegen den Emigranten Nikolaus Demmer sei bei dem Leiter der Anklagebehörde beim Sondergericht München unter dem Aktenzeichen la Js-So 7939 ein Strafverfahren wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz anhängig. Deshalb habe der Ermittlungsrichter am Amtsgericht München am 28. April 1939 einen Haftbefehl wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr erlassen. Der Steckbrief besteht fort.

Als dann am 10. Mai 1940 die deutschen Truppen in Luxemburg einmarschierten, schwebte Nikolaus Demmer in höchster Gefahr. In Luxemburg und im benachbarten Belgien suchte die Gestapo nach ihm, konnte aber nur feststellen, daß er von Februar 1935 bis zum 10. Mai 1940 in Redingen war. Deshalb stellte man im Deutschen Reich das Verfahren gegen ihn am 18. Mai 1940 vorläufig ein, da man ihn im Ausland vermutete. Pfarrer Demmer hatte sich aber keineswegs ins Ausland abgesetzt, sondern hatte sich zunächst in Redingen bei verschiedenen Familien aufgehalten. Nachdem er zuerst in Redingen im Kloster Aufnahme gefunden hatte, wohnte er später bei den Geschwistern Moes. Er selbst berichtet in seinen Aufzeichnungen: Trotz der ununterbrochenen Einquartierung bei Fräulein Moes ging es seit dem 21. Juli 1941 gut. Sie brachte zahlreiche Opfer gern, scheute keinen Weg, um hamstern zu gehen, um mich ohne Lebensmittelkarte durchzubringen.

Beim Füttern der Kaninchen wurde ich eines Tages im Sommer 1941 gesehen, und diese Person erzählte es weiter, ja sogar einem Zollbeamten, der bei Fräulein Moes im Quartier war. Als der Zöllner es Anfang Dezember in einer anderen Familie in Redingen weitererzählte, erhielten wir von den Geschwistern Wirth, die davon als erste erfahren hatten, Kenntnis von dem Gerücht zur Warnung vor der Gestapo und den Folgen. Durch Mariechen Moes ließ ich bei den Geschwistern Wirth anfragen, ob sie bereit wären, mich für einige Zeit bei sich aufzunehmen, und noch am selben Abend, am 13. Dezember 1941, wurde ich von Wendel Wirth, der mein Gepäck trug, abgeholt in ihr Haus und Heim, wo ich eine Aufnahme gefunden, wie mir meine Mutter selig sie nicht herzlicher hätte bereiten können. Eineinhalb Jahre lang habe ich im Krankenzimmer der guten Madame Wirth die heilige Messe gelesen, wobei sie fast täglich kommunizierte, bis zu ihrem seligen Heimgang. Sie und ihre Kinder haben es als ein großes Glück und große Ehre aufgefaßt, einem flüchtigen, verfolgten Priester in ihrem Haus ein Heim bieten zu dürfen, woflir sie sicher Gottes reichen Segen erfahren werden und mich zum bleibenden Schuldner gemacht haben.

GedenktafelNikolausDemmer_kleinIn der Zeit, in der Pfarrer Demmer sich bei Fräulein Moes versteckte, wurde er schwer krank. Durch die schmale Kost und den ständigen Aufenthalt im dunklen Zimmer litt er an Skorbut und Magengeschwüren. Durch seine Tätigkeit im Ersten Weltkrieg als Sanitätsunteroffizier wusste er sich aber selbst zu heilen.Bei der Familie Wirth versteckten sich zu Ende des Krieges auch luxemburgische Deserteure aus der deutschen Armee. Bis zu zwanzig Männer befanden sich manchmal im Haus. Da Pfarrer Demmer politische und militärische Erfahrung besaß und der älteste war, erkannten die jungen desertierten Soldaten ihn als Führer an, der die Entscheidungen traf. Er brachte die Jungen zum Rosenkranzgebet und vermittelte ihnen Hoffnung auf ein Ende des Krieges.Sobald der Krieg beendet war, bewarb sich Pfarrer Demmer um eine neue Pfarrstelle. Er wurde am 28. Dezember 1945 zum Pfarrer von Dasburg/Eifel ernannt und im April 1946 dort eingeführt. Wegen seiner Krankheit war die große Pfarrei Dasburg eine zu hohe Belastung für ihn. Deshalb wurde er am 22. Juni 1951 zum Pfarrer von Weiten ernannt, wo er am 4. Juli 1954 an den Folgen seiner Krankheiten, die er sich in den Jahren seiner Verfolgung zugezogen hatte, starb. Er ist in auf dem Friedhof seines Heimatortes Nunkirchen beerdigt. Sein Grabstätte ist bis heute erhalten.

Zum Andenken an Nikolaus Demmer hat der Heimatverein Waldweiler e.V. an der Kirche des Ortes eine Gedanktafel anbringen lassen, die an Nikolaus Demmer und sein Wirken in der Pfarrei Mandern-Waldweiler, vor allen Dingen aber an seinen Widerstand gegen die Nazi-Diktaktur erinnern soll.
Fotos: Jochen Kuttler

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Quellen:

  • Nikolaus Demmer, Tagebuchaufzeichnungen (heute im Besitz der Familie Wirth in Redange, Luxemburg). Bistumsarchiv Trier, Abt. 85 Nr. 294, Blatt 245. Mündlicher Bericht von Mr. David-Moes in Diekirch, Luxemburg.
  • Mündliche Informationen der Familie Johann Spang aus Nunkirchen. Stefan Trauten, Der katholische Klerus und der Nationalsozialismus im Landkreis Trier, Trier 1987