Fritz Glutting hat sich intensiv mit der Geschichte der Feldeisenbahn beschäftigt. 1990 veröffentlichte er einen Artikel in der Saarbrücker Zeitung, der ihre Historie zusammenfasst. Die Bilder, die Sie hier sehen, stammen von einer Internetseite, die sich ausführlich mit der Feldbahn beschäftigt. Dort finden Sie auch weitere Informationen zur Bahn.
Dem Angriff der Wehrmacht auf die Maginot-Linie am 10. Mai 1940 ging ein Stellungskrieg voraus. Seit Kriegsbeginn am 1. September 1939 standen auf deutscher Seite an der 400 Kilometer langen Front von Basel bis zur deutsch-luxemburgischen Grenze die 7. Armee an der Rheinfront Basel-Karlsruhe und die 1. Armee unter General Oberst von Witzleben vom Rhein bis zur luxemburgischen Grenze. Von Witzleben war nach dem 20. Juli 1944 als Verschwörer gegen Hitler hingerichtet worden. Die 1. Armee hielt den eigentlichen Westwall, damit auch dessen rückwärtiges Gebiet an der Saar und im Hochwald besetzt. Außer Stoßtrupp-Unternehmen kam es zu kaum nennenswerten Gefechten. Man wartete in vorderster Linie und im Hinterland auf den von Hitler festzusetzenden Angriffsbefehl. Zu diesem Hinterland gehörte auch Nunkirchen.
Der Ort lag im rückwärtigen Gebiet des XXXA.K. mit dem Sitz des Hauptquartiers im Schloss Dagstuhl (General der Artillerie Hartmann). Um XXX.A.K. gehörte auch die 214. Infanterie-Division (I.D.). Ihr Einsatzbereich lag zwischen der 79.ID rechts (Merzig-Dillingen) und der 34.ID links (Dillingen-Völklingen). Sie war eine Landwehrdivision und bestand vorwiegend aus Familienvätern und aus Soldaten, die bereits im Ersten Weltkrieg im Einsatz gewesen waren. Nunkirchen lag in ihrem Bereich.
Lazarett statt Schule
Im Zuge der Vorbereitung auf den Angriff wurde Nunkirchen zu einem Hauptstützpunkt der rückwärtigen Dienste dieser Division ausgebaut. Schon gleich zu Kriegsbeginn wurde das neue Gebäude der gewerblichen und ländlichen Berufsschule in Nunkirchen für den Schulbetrieb fertiggestellt, als Kriegslazarett eingerichtet und blieb es während der gesamten Kriegszeit. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde für die Gefallenen der 214. ID und später der 95 I.D. ein Soldatenfriedhof angelegt, der im Jahre 1951 aufgelassen wurde. Die ersten Toten auf diesem Friedhof waren zwei Soldaten des Algerischen Schützenregiments 13, die bei einem Angriff auf den Lautesberg gefallen waren. Nicht nur Feldlazarett und Gefallenen-Ehrenfriedhof waren sichtbare Zeichen des Krieges in Nunkirchen, das nicht in der geräumten Zone lag und daher zum erwünschten Quartierort für die Truppe wurde.
Das Waldgebiet des Großen Lückner war zur Munitions-Hauptausgabestelle für die 214. Division und spätere Division ausersehen worden und wurde dementsprechend ausgebaut. Zur Versorgung der hier stationierten Divisionsangehörigen begann Ende Oktober 1939 der ortsfeste Einbau von vier Baracken, vier Vorratsschuppen, eines Fleischhauses und einer Bäckerei. Am Bahnhof der MBE in Nunkirchen erstellten Arbeitsdienstmänner zwei Geräteschuppen. Im Möbelgeschäft der Firma Franz Müller – zwischen dem Anwesen Müller und Hecktor war die Divisions-Verpflegungsstelle mit zwei Feldküchen untergebracht.
Die Aufgabenverteilung war folgende: Während der Reichsarbeitsdienst Baracken und Straßen baute, errichtete ein Zimmermann Heu- und Haferschuppen, bauten Soldaten das Fleischhaus in der heutigen Straßen „In den Weihern“. Wie wurden die Güter, vor allem die Munition, an Ort und Stelle gebracht? Die Angehörigen einer Kompanie der Eisenbahnpioniere 38 – sie wurden im Februar 1940 von Pionieren der 95 I.D. abgelöst – bauten eine Feldeisenbahn vom Nunkircher Bahnhof der MBE bis in den Großen Lückner. Auf Anordnung des Kommandeurs der Eisenbahntruppe bei der 1. Armee sollten die Feldbahnen so trassiert werden, ass ein späterer Ausbau zu einer Vollbahn möglich war.
Diese Anordnung traf jedoch für die Nunkircher Feldeisenbahn nicht zu, denn ihre Trasse war so geführt, dass ein solcher Vollausbau nicht vorgesehen war. Für den Bau des Gleiskörpers wurde Kleinbahnmaterial von 1000 Millimeter Spurbreite verwandt – bei einer Planungsbreite von drei Metern für eingleisige und sechs Meter für zweigleisige Strecken. Eine Diesellok zog die vierrädrigen Karren. Die Trasse der Nunkircher Bahn begann im Gelände der ehemaligen Möbelschreinerei F. Müller (heute H. Klein), wo ein etwas 25 Meter langer Lokschuppen stand (einseitig offen), in Holzkonstruktion ausgeführt und nach dem Krieg als Schuppen für eine Dreschmaschine im Einsatz. Ein Rangiergleis mit Drehscheibe sorgte für Ein- und Ausfahrt der Dieselloks. Die Bahnlinie verlief parallel zum Gleis der Kleinbahn an der Rückfront der Häuser Hoffmann und Röder vorbei durch das Wiesengelände, überquerte vor dem Hause Lauk die heutige B268 und führte weiter in das Gelände hinter dem Hause Lauk.
Großbäckerei inklusive
Hier wurde von den 38er Pionieren eine Brücke gebaut. Über eine zweite bereits vorhandene Brücke liefen die Gleise auf der vorgefertigten Trasse nach links ins Gelände von Schulz & Kappel. Von hier nutzte die Bahn den Hang – heute zum größten Teil abgebaut –, an dessen Fuß vorbei sie bis an die heutigen Anwesen Zapp und Blindauer lief, wo sie die Straße überquerte und von jetzt an zweigleisig der Straße zum Lückner folgte. Die Bahngleise gingen rechts und links (hinter den Häusern!) in Richtung Haus Schnur, wo sie wieder in einer Art „Bahnhof“ zusammenliefen. „Speremberg“ nannten die Landser diese Stelle in Anlehnung an den Ort ihres Ersatzbataillons in der Nähe von Fürstenwald bei Berlin. Vom Bahnhof führte die Bahn in das Waldgebiet des Großen Lückner, wo heute noch an manchen Stellen die Trasse zu erkennen ist.
Im Bereich der Straße „In den Weihern“ ab dem Hause Lang-Ornau standen die Baracken für die Bekleidung, Unterkunftsgerät, Treibstoffe u.a.. Entlang der Straße in Richtung Lückner bargen die Baracken jene Schätze, für welche die „Landser“ sehr schwärmten: Marketenderwaren, Rauchwaren, Branntwein, Brot- und Fleisch. Als einzige Versorgungsstätte wurde das Fleischhaus in Festbauweise ausgeführt: das heutige Wohnhaus Nr. 13 der Familie Wecker. Es wurde einstöckig mit weit vorspringendem Dach errichtet. Nach dem Krieg baute die Familie Wecker das Gebäude zu einem zweigeschossigen Wohnhaus aus.
Neben dem Wohnhaus Nr. 16, das der Familie Gierend gehörte, befand sich die Großbäckerei mit drei Doppelbacköfen. Unter der Leitung eines Backofenbauers aus Limburg an der Lahn bauten Bäcker, die von Beruf Maurer waren, diese Öfen, die Anfang 1940 in Betrieb genommen wurden. Ein Backraum aus Holz entstand vor den Öfen. Hier konnte pro Tag die beachtliche Menge von 9000 Broten gebacken werden. Für Heu und Hafer entstanden Baracken in unmittelbarer Nähe des Hauses Gierend und weiter in Richtung Lückner.
Hauptaufgabe der Feldeisenbahn war der Transport der Munition in den Großen Lückner bei Oppen, wo sich die Hauptausgabestelle der Division befand. Die Ausgabestelle verfügte über 1200 Tonnen Munition als Divisionsvorräte. Sie war in 80 Schuppen von je 25 Quadratmetern Fläche gelagert. Hinzu kamen eine Wohnbaracke für Fachpersonal und Wachmannschaften und ein Unterstand von 30, Quadratmetern als Schutz vor Beschuss und Fliegern. Vom Lückner aus führte die Bahn weiter durch das Gelände am Geisweiler Hof über die Straße Honzrath-Düppenweiler an den Waldrand zur Endstation.