Die Begradigung des Nunkircher Baches 1975

Anfang der 1970er Jahre wurde der Nunkircher Bach begradigt. Ein Ereignis, das sowohl dem Zeitgeist geschuldet ist als auch in Folge der heftigen Überschwemmungen stand, die der Bach Jahr für Jahr im Ort verursachte. Die Änderung des Bachlaufs hatte dramatische Folgen für das ökologische Gleichgewicht des Wiesentals. Die erhöhte Fließgeschwindigkeit sorgte zwar für weniger Hochwasser im Ort selbst, bescherte aber den nachfolgenden Orten wie Büschfeld und Schmelz Land unter. Heute weiß man, dass die vielerorts in den 1970er Jahren durchgeführten Bachbegradigungen Mitverursacher der gigantischen Überschwemmungskatastrophen im unteren Saarland rund um Saarbrücken sind. Deshalb ist es das Ziel landschaftlicher Planung, Bachläufe zu renaturieren. In Nunkirchen wurden mittlerweile viele frühere Wasserläufe im Wiesental wieder freigelegt. Der frühere Bachlauf führt seit 2005 auch wieder Wasser. Weiter Bemühungen einer Renaturierung sind aktuell im Gange. Der nachfolgende Artikel erschien zu Ostern 1975 in der Saarbrücker Zeitung. Er schildert eindrucksvoll den damals vorherrschenden unbedingten Fortschrittsglauben, der einher ging mit der Vorstellung, dass alles „Gestrige“ per se schlecht sein musste.

Schon vor 45 Jahren geplant
Der Nunkircher Bach wurde begradigt: 1972/75 ausgeführt – 1680 Meter Strecke – Kosten: 1,2 Millionen DMWadern-Nunkirchen. Für Bürgermeister Herbert Klein blieb nicht mehr allzuviel zu tun übrig; eigentlich nur Abschluss und Abrechnung einer Baumaßnahme, über die man sich im Dorf Nunkirchen schon anno 1930 Gedanken gemacht hatte, bis Bürgermeister (und heutiger Ortsvorsteher) Paul Schmitz sie dann 1972 endlich anpacken und durchziehen konnte: Die Umlegung und Begradigug des Nunkircher Baches. An diesem Gewässer war schon im 19. Jahrhundert „gebastelt“ worden, und später zwang man es zur Wiesenbewässerung und als Energiequelle abermals in ein anderes Bett, – doch mit dem Erfolg, dass das rund 1,5 qkm große Wiesental häufig unter Wasser stand und außer für die Landwirtschaft – überhaupt nicht genutzt werden konnte.

Der Bachlauf war der Weiterentwicklung des Ortes im Wege und er führte zu dramatischen Hochwassern (siehe Foto). Er teilte darüber hinaus das Dorf in zwei Hälften und zwang zur baulichen Ausdehnung in die Randbezirke hinaus. Jetzt aber sind nach einem Kostenaufwand von rund 1,2 Millionen DM, die Voraussetzungen für eine bessere Nutzung des Wiesentales auf lange Sicht geschaffen worden.

Bach1_smallNach einer Besichtigung der Baustelle und des über 1680 Meter ganz neu angelegten und mit Drahtschottermatten ausgeschlagenen Bachlaufs, an der neben den beteiligten Kommunalpolitikern und Bauunternehmern auch Mgsr. Dr Weyand teilnahm, wurden im Saalbau die Chronik und technischen Einzelheiten des großen Projekts bekannt gegeben. Bürgermeister Klein dankte für den erfolgreichen Arbeitsaufwand, für den sein Kollege Kolling (Weiskirchen), dessen Vorgänger Harig, Kreisbaudirektor Klein und auch das Wasserwirtschaftsamt Saarbrücken federführend waren und stellte fest, dass man hier wirklich „eine große Sache geleistet“ habe.

Die frühen Pläne

Den Ablauf der Dinge schilderte Ortsvorsteher Paul Schmitz: Die ersten Pläne, den Bach zu begradigen, stammten aus dem Jahr 1930. Als man sie 1936 noch einmal überarbeitet hatte, verschwanden sie in der Schublade. Es war kein Geld da. Danach vergingen 24 Jahre. Erst 1960 diskutierte die Gemeinde mit dem Wasserwirtschaftsamt über ein neues Projekt,  aber nur eine „kleine Lösung“, die wenigstens ein begrenztes Terrain als Gewerbegebiet trockengelegt hätte, doch der Finanzaufwand hätte in keinem Verhältnis zum Nutzeffekt gestanden, – also musste man alles noch einmal auf Eis legen; neun Jahre lang, bis sich endlich im Dezember 1969 die Gelegenheit ergab, Nägel mit Köpfen zu machen. Bürgermeister Schmitz leitete zusammen mit dem Amt Weiskirchen das Planfeststellungsverfahren ein, sicherte sich 50 Prozent Landeszuschüsse, verhandelte mit den Anliegern („Alle zeigten Verständnis, keiner schlug Kapital aus der Sache!“) und übertrug dem Kreisbauamt – in engem Zusammenwirken mit dem Wasserwirtschaftsamt.

Im Juni 1972 konnten die Arbeiten vergeben werden, und am 8. September des gleichen Jahres ging es los. In 163 Arbeitstagen mussten 9000 qm Gelände gerodet und 7000 cbm Mutterboden bewegt werden. 37000 cbm Aushub waren notwendig, um das 1680 Meter lange Bachbett anzulegen. In diesem selbst waren 13000 qm Sohle zu befestigen unter Verwendung von 10000 cbm Schotter. Man musste neue Kanalstränge verlegen und eine Brücke bauen, – im Zuge einer neuen Zufahrtsstraße vom Industriebetrieb „Reinguss“ zur B268. Diese ist zur Zeit noch im Ausbau. Paul Schmitz betonte, dass diese Maßnahme keineswegs ein „Selbstzweck“ gewesen sei oder nur dazu bestimmt, eine Hochwassergefahr zu beseitigen. Vielmehr sollte sie die Voraussetzung schaffen, das zirka 1700 mal 800 Meter große Wiesengelände nutzbar zu machen. Jedoch: Wie dies geschehen soll, ist eine Zukunftsfrage, denn ein Bebauungsplan besteht vorerst nicht. Im Flächennutzungsplan werden sich Ortsrat Nunkirchen und Gemeinderat Wadern jedoch Gedanken darüber machen, wie man Zug um Zug einen neuen Ortskern entstehen lassen kann, aufgegliedert in Wohn-, Gewerbe-, Naherholungs- und Landwirtschaftsgebiete. Dabei will man jedoch nichts übereilen.

Alte Fehler korrigiert

Bach2_smallDer Leiter des Wasserwirtschaftsamtes, Regierungsbaudirektor Giebel, wies darauf hin, dass man gerade heute bei wasserbaulichen Maßnahmen sehr sorgfältig planen und mit der Natur im Bunde bleiben müsse. Aber es sei gelungen, mit der Begradigung des Nunkircher Baches (Anm. unser Foto rechts zeigt den Bach vor der Begradigung) alte Fehler zur korrigieren und den Wasserhaushalt wieder in Ordnung zu bringen; obwohl das Abwasserproblem noch immer nicht zur vollen Zufriedenheit gelöst werden konnte. Außerdem warnte Giebel dringend davor, Wasserläufe zu verrohren. Wenn irgend möglich, sollte man sie offen lassen und technische Korrekturen auf ein Mindestmaß beschränken. Die Gemeinde Nunkirchen beglückwünschte er zur der Beharrlichkeit, mit der sie ein Projekt bewältigte, an dem sich schon Generationen erfolglos versuchten. Und aus diesem Grunde sei es dem Lande auch leicht gefallen, sich mit hohen Zuschüssen zu engagieren.